Freudloser Superlativ

Du willst mich nicht missen in deinem Leben. Schreibst du; ich glaube aus einem kleinen Kaff, einige hundert Kilometer entfernt von mir. 

Du willst mich nicht missen, denn ich und mein Leben seien dir wichtig. In dieser Reihenfolge, als ob das zählen sollte. 

Ich bleibe stumm. Ziemlich lange. Klassisch der Punkt an dem etwas stirbt um danach das verkrüppelte Dasein eines Schattens von ‚Etwas Das Einmal War‘ zu leben.
…Dieses Wort… Leben. . . Es taucht in dem Text jetzt bereits zum xten Mal auf und ich bekomm es nie ohne kratzen im Hals hingeschmiert.

Was heißt das eigentlich, „im Leben eines Anderen“ zu sein?  Und was ist es, dass wichtig ist?  Was an mir ist wertvoll, dass es nicht fehlen darf.

Meine Meinung ist wichtig und der Input, den ich gebe wird wertgeschätzt. Manchmal sagst du sogar „unersetzlich“; aber alles ist ersetzbar.

Meine Ehrlichkeit ist dir wichtig. Das ich dir sage wenn du Scheisse laberst und den Arsch aus dem Kopf bekommen sollst; Oder anders herum, wen kümmert das schon.

Mein Rat ist wichtig, denn niemand sehe so hin und verstehe dich wie ich; was für eine Therapie super Voraussetzung ist.

So ginge es hier vermutlich noch eine Weile, aber es ist ermüdend sich das Ganze aus dem Leib zu schnitzen.

Wichtig ist, was ich gebe. Es fehlt, was ich dazugebe zu dir und den Dingen an denen du scheiterst; auch wenn niemand sagen würde das wir scheitern, weil es ja erbärmlich wäre und wir alle unser Leben ganz super hinbekommen.

Tun wir nicht. Wir scheitern zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens, lediglich unterschiedlich stark um letztlich am Leben an sich zu scheitern. Allein indem ich ein Konzept von Zukunft erzeuge scheitere ich am Moment. Es ist eine Frage der Ansicht wie ich es nenne und ob ich mich von Konnotationen leiten lasse. Aber das ist ein anderes Thema.

Was ist aber wenn ich nicht gebe? Oder doch zumindest nicht eines der unersetzlichen Dinge beisteuere? Wenn ich einfach bin? So wie wir alle einfach sein sollen, denn so wie wir sind sind wir alle einzigartige, wundervolle Butterflocken. Oder Schneeblumen. Beides gleich.

Aber auch die sind in der Anzahl endlich und irgendwann eine verfickte Kopie von irgendetwas anderem.

Wenn ich einfach bin? Wenn ich nichts gebe? Dann bleibt nichts. Zumindest nicht mit dir. Für meine amüsierende Gesellschaft scheint es zumindest nie genug Grund zu geben. Unsere Treffen gelingen eher selten und wenn, dann müssen sie eine gehaltvolle Schwere bekommen. Es muß um etwas gehen, am besten um eines dieser Dinge an denen wir scheitern.

Spontan dazukommen? Während andere dabei sind? Ich glaube diesen Gedanken haben wir nicht einmal erörtert. Ich bin ein kleines behüteten Ratkästchen. Dein einzigartiger, unersetzlicher und wertvoller … Therapeut.

„Ich hab mich noch spontan…“, „ach ne heute klappt nicht, meine Schwester kommt doch…“.

Es gibt immer Gründe. Gute sogar. Aber zurück bleibt der Gedanke: in welchem Leben bin ich nun wichtig?

Und ich erkenne darin dein Schema. Du weißt ja auch nicht, ob du Bock auf nen Kerl hast, denn dann musst du Kompromisse eingehen. Musst dich einstellen. Guter Grund. Versteh ich.

Du willst nicht vermischen. Die Aufmerksamkeit ganz geben. Und die Beste mag mich nicht – auch wenn du das nie zugeben würdest. Muttizeit ist reine Muttizeit. Gute Gründe. Versteh ich.

Ich hab allerdings keine Lust mehr auf Gründe und den fahlen Beigeschmack von Lüge,  wenn ich deine Worte höre oder lese, dazu deine Aktionen sehe  und letztlich doch wieder ankomme bei der Frage: wie wichtig bin ich nun in deinem Leben?

Ich antworte dir irgendwann einmal nur knapp:

„I don’t chase people anymore. I learned that I’m here, and I’m important. I’m not going to run after people to prove that I matter.“ Emily Y.

Das ist ein Ziel für mich. Kein Erleben. Ich renne noch immer; renne und hoffe, jetzt doch endlich mehr wert zu sein. Nicht für dich, nicht für alle anderen. Sondern für mich. Ich erkenne den Widerspruch und stehe doch neben mir, während ich lossprinte.

Aber ich höre auf damit. Immer mehr beende ich diesen irrsinnigen Wettlauf und tausche ihn ein gegen das was folgt: Einsamkeit. Denn man ist es von mir gewohnt, dass ich gebe. Das BIN ich. War ich. Wollte ich sein. Oder auch nicht. Man weiß es nicht. Doch fehlt das, wer braucht mich dann schon noch.

Meine Antwort hat dich verwirrt und verärgert weil es ungerecht ist. Ungerecht und du liebst mich doch und versuchst mich in Rahmen des möglichen. . .

Für wen ist etwas ungerecht? Für den, der es sagt weil ihm ein Nachteil aus etwas entsteht? Oder für den, dem ein Vorteil entstanden war, der ausgeglichen werden will? Ist es ungerecht weil du es nicht magst oder weil es nicht zutreffend ist?

Wenn das der Rahmen ist in dem ich gespannt werden kann, stehe ich erneut vor der Frage: in welchem Leben bin ich nun wichtig?

Ich kann mit einem Komparativ umgehen. Da brauche ich nicht viel Platz; Gewohnheit und so.

Einzig dieser verdammte Superlativ.

Der ist so groß und wie ich es schon einmal sagte ohne verstanden zu werden: ich will keine Rolle die mir nicht steht. 

Denn was bleibt, wenn das weggenommen wird was ich gebe:

Es gibt kein Leben in dem ICH wichtig bin. Nicht aus meiner Sicht zumindest und auch wenn das ungerecht scheint und verletzend.

16 Kommentare zu “Freudloser Superlativ

  1. Ein sehr berührender Text…
    Der Diskussionen müde, ein Interessenkonflikt im Leben des anderen zu sein.
    Lebenszeit ist ein Geschenk, das behalten werden sollte, wenn der Eindruck entsteht, sie sei am Ende ein ungewolltes Geschenk. Schrecklich kann das sein mit Kindern. Pläne gemacht zu haben, sich auf eine erfüllte Zweisamzeit freuen und dann zwischen den Stühlen hängen, die Kleineren, die Schwächeren sind leider immer dann die Stärkeren. Ein endloses Thema ohne Fuß und doppelten Boden. Ausflüchte, Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen ohne Sühnechancen. Hier eine andere Sprache sprechen können:
    Nicht: ich brauche Dich Du bist der einzig Wahre…fiderallalatrallabla…
    Sondern: sofort Ersatzzeit suchen, einen neuen Tag, den dann ganz sicher, weil du es bist
    Keine Phrasendrescherei und Gänseblümchenlürik a là : du verstehst mich am besten
    Sondern: im Handeln zeigen: ich hab Dich verstanden. Wie kann ich für dich da sein und wenn nicht, wann am schnellsten?
    Jemanden zu ‚brauchen‘ um glücklich mit ihm zu sein, ist etwas anderes als jemanden immer wieder neu suchen und überraschen zu wollen.
    Das klingt ganz anders als ‚brauchen‘ denn wo was gebraucht wird, fehlt was und wo was gesucht wird, wird auch etwas gebraucht, ja, doch es richtet Ehrgeiz und Wille auf ‚finden‘ aus und das ist lösungsorientiert und auch zuversichtlich, weil es dem anderen …vertraut.
    Du bist das ja und ich weiß, solltest Du nicht mehr Du für mich sein wollen, würdest Du mir dies ehrlich und direkt sagen.
    Liebe besteht so lange zwischen Menschen, wie sie es schaffen, ihre Faszination füreinander aufrecht zu erhalten.
    Und das macht Arbeit.
    Doch…Arbeit, die dem Zweck des Daseinsgenusses miteinander dient, macht Freude.
    Freude ist der Motor der Liebe…

    Okay, ich schick diesen etwas seltsamen drauflosgeschriebenen Kommentar jetzt uncensayed zu Dir, es sind lose Gedanken.
    Liebe Grüße und Dank für die Anregungen von der Karfunkelfee

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    • Gesucht und nicht gebraucht. Sehr schöne Unterscheidung.
      Denn gebraucht wird es gegeben wird. Gesucht was „ist“.

      Danke dir für die tollen Gedanken!
      Einzig bei dem Absatz „solltest du nicht mehr Du für mich sein wollen. ..“ bin ich gestolpert. So als Gedanke formuliert oder auf uns (dich und mich) bezogen?

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      • Da trägt ja nun jeder seine Begegnungen und Gesichter mit sich rum. Is halt n Spiel für zwei. Wer kann da schon sicher wissen, wer nun was verbockt… Ich glaube schon ein alter Grieche sagte, jeder Bauerntrottel kann jeden beliebigen Konflikt gerechter beurteilen, als ein hochehrwürdiger Richter. Solange er nicht selber beteiligt ist…

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      • Es war auch, genau daher, rein als interessierte frage zu verstehen. Denn ich erkenne Potential für beide Seiten. Wüsste halt gerne wie es für dich wirkt, da es mir wichtig ist mich, gerade in solchen Themen, zu hinterfragen.

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      • Wie eine Geschichte, die eigentlich schon lange totgeredet ist. Und immernoch brennt das Bedürfnis, weiterzureden. Aus Angst vor der Stille oder aus Sehnsucht nach dem Schmerz? Wie Ein Lagerfeuer von gestern Abend, nur noch tote kalte Asche. Aber wer unbedacht barfuß drüberläuft, tritten mitten in das letzte Stück Glut.

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      • Ich glaube das trifft es (manchmal braucht Erkenntnis Zeit zu sickern) ganz gut. Vielleicht ist das das Gefühl. Das etwas schon tot ist und nur noch einseitig beatmet wird.

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      • Ich danke für diesen Gedankenaustausch. Ich find hochinteressant und auch beängstigend bei solchen lyrischen Texten, dass sie einen Raum aufspannen, den selbst – oder grade – nicht mal der Autor voll erfaßt. Nochmals Danke für die Einladung, Deine Gedankengebäude zu entdecken.

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  2. Brauchen ist ein schlechtes Beziehungsmodell. Besonders, wenn es so einseitig ist.

    Klingt alles ziemlich traurig und trostlos (im eigentlichen Sinne).
    Doch Deine Antwort gefällt mir gut.
    Noch besser dann, wenn es Dir tatsächlich gelingt so zu fühlen und zu leben.

    Starker Text.

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