Zwischenträume

Die Hand zur Faust,
Einnehmend.
Finger und Ballen,
Verschmelzend.

Zwischen Wut und Schmerz.
Das Leben, es wird dir entweichen.

Blassknöcherne Leere,
Zwischenräume im Sein.
Verlorene Mühen voller Raserei.

Die Hand als Fläche,
Einladend.
Finger und Ballen,
Umspannend.

Zwischen Liebe und Lust.
Das Leben, es wird dich umgeben.

Lichtgesponnene Netze,
Zwischenträume im Schein.
Verlockende Visionen voller Wonne.

An uns

Ich möchte nicht mehr darüber reden,
wann es wirklich ginge.
Darüber nachdenken,
was zu planen sei.
Was, wenn?!

Denn unser Leben ist zu kurz,
Unsere Zeit zu kostbar,
Vergeuden wir nichts:
Mit Zweifeln.
In Angst.

Ich möchte immer mehr mit dir leben,
Weil es jetzt wirklich geht.
Mit dir erleben,
Was passiert.
Hier, Jetzt!

Unser Leben ist so kostbar!
Unsere Zeit so kurz!
Verschwenden wir uns:
In Liebe!
Mit Mut!

An uns.

Du weisst es noch nicht XIII

Es ist nicht das Brennen,
Flammen und Lodern;
Jenes Sehnen nach Hitze:
„Was kommt noch?“

Es ist die Wärme die bleibt
Wenn du gehst
Und die Leere heranschleicht.

Es ist nicht Zufriedenheit,
Bequemlichkeit und Rast;
Jenes Sein mit Zögern:
„Was wäre wenn?“

Es ist die Gewissheit
Wenn ich gehe
Und die Zweifel heranrollen.

Du weißt…
 Nein. 

Wir wussten es nicht. 
Aber wir wissen es nun.
Jederzeit.

Oder? 

Wir rannten,
Atemlos und berauscht;
Ganz im Moment
Der ewig währt.

Wir waren berauscht,
Bis wir stolperten
Fort der Atem
Den wir teilten.

Wir stolperten,
Im vollem Lauf;
Tot der Traum
Den wir schufen.

Oder?

Wir fühlten uns,
So wie wir waren.
Wir atmeten uns,
So wie wir sind.
Wir träumten uns,
So wie wir werden.

Lass mich erneut
Ein wenig träumen:
Vielleicht bleibt es.
Vielleicht ist der Traum,
solange er bleibt,
Unsere Wirklichkeit.

Oder?

Du weißt es noch nicht XII

Ich gehe voraus; 
Nur ein kleines Stück.

Eil, renn, spring!
Fall, stürz, blute!
Forder das Leben heraus!

Fahr, segle, flieg!
Schwimm, tauch, atme!
Stürz dich ins Leben! 

Ich gehe voraus;
Warte nicht auf mich.

In den hellen und
Den dunklen Stunden:
Stell dich dem Leben!

In den zarten und
den harten Farben:
Zeichne du dein Leben!

Ich gehe voraus;
Bis wir uns wiedersehen. 

Ich bin
War
Werde
Immer bei dir sein.

Du weißt es noch nicht,
Aber du wirst es wissen.

Bis dahin.

Eigentlich könnten wir…

Wollte ich die Umgebung in einem Satz beschreiben, so käme „ein Baumhaus für vier Erwachsene inmitten einer Stadt“ dem vermutlich sehr nah. Ein bizarres Konstrukt von Wohnung, sehr eng aber lang gezogen. Gemütlich in der Grundstimmung, an einer Wand über und über mit unterschiedlichsten Büchern zugeballert. Licht verfängt sich im Staub, ganz so wie es sich für einen Raum mit vielen Büchern gehört. Überall sind Stufen, Absätze, Brüche in der Bodenebene und Balkenenden. Dazwischen hängen Töpfe, Jacken, Handtücher, Bilder, Schals, Zettel, Dekokram. Ein wahrer Flickenteppich verschiedener Leben, eben ganz so als wären ein paar Erwachsene in einen Baum gezogen und hätten dort sowas wie eine Wohngemeinschaft gegründet. Ja Erwachsene. Nicht so eine dieser lieblosen, chaotischen Jungerwachsenengemeinschaftsvermüllungszentren. Das Chaos hier hat Stil. Bewusstsein. Und ich kann es förmlich einatmen in seiner Gelassenheit.

An einem Ende der Wohnung befindet sich eine zwei Stufen tiefer sitzende ‚Etage‘ von welcher dennoch ein Blick durch die ganze Wohnung möglich ist – mit Ausnahme der Küche, welche ganz am anderen Ende hinten links abknickt. Dort sitze ich, vermutlich auf einem Sessel und schaue auf die gegenüberliegenden Häuserfront. Denn irgendwie endet die Wohnung zur Straße hin einfach mit einem kleinen Podest, eben auf der Seite wo auch die Bücherregale stehen. Keine Wand versperrt die Sicht, kein Geländer bewahrt vor dem Fall. Dort ist einfach offen, mit einem -kuschelig eingerichtet mit flauschigem Teppich und großen Kissen – Lesepodest als halbseitigem Abschluss. Sehr poetisch steckt in der freien Ecke des Podests so etwas wie eine Fackelhalterung und die Bretterwände enden nach außen gewölbt; ein wenig erinnert das an eine explodierte Büchse in einem Cartoon. Da es niemand wundert, muss es wohl so sein und auch ich beachte es nicht weiter. Alles schmeckt nach Kommen und Gehen und mein Kopf denkt an einen Jugendclub.

Es geht, im an mir vorbeifließenden Geschehen, viel um irgendeine Modelleisenbahn. Einmal wird sie abgebaut, dann wieder aufgebaut, anders diesmal. Kompakter, nicht auf der Bücherseite einmal durch die halbe Wohnung – wie es sich meiner Meinung nach angeboten hätte – sondern nur auf der Ebene auf der auch ich ungefähr sitze. Ungefähr, da auch hier wieder viele unterschiedliche Ebenen im Boden sind und so endet die Bahn in einer ungestörten Ecke, ungefähr eine halbe Armeslänge von mir entfernt. Links von ihr eine große Stufe nach oben die übergeht in ein Regal voller Bücher, hinter ihr die Bretterwand und rechts Platz zum sitzen und abschließend das Podest vor dem Nichts.

Der Aufbau passiert mit einer mir fremden Person, sie entschwindet später und zurück bleibt der Eindruck einer dunkelhäutigen, kurzhaarigen Schönheit und das Gefühl angenehmer Konversation. Im Hintergrund wuselt irgendeine dritte Person in der Küche herum. Ein Mann, schwarze krause Haare und eine unbestimmte aber lang gewachsene Figur. Er trägt eine Brille -muß er tragen, so sehr brennt sich der Eindruck eines Bibliophilen ein. Doch er bleibt nicht viel mehr als eine Fliege im großen Durcheinander eines Picknicks auf einer Sommerwiese. Er ist anwesend aber nicht störend, solange man sich nicht darauf konzentriert.

Abschließend werden einige Weichen gestellt und verlegt und in dem kompakten Knäuel aus Schienen zusätzlich Verbindungen und Verstrebungen geschaffen. Ich kann immer nur einen Teil des Werks erfassen, nie jedoch das Ganze. Als ich es versuche verschwindet die, mit der ich aufbaute und jemand anderes sitzt an ihrer Stelle; will sofort die neue Bahn ausprobieren. Ich runzele die Stirn – missfällig, da ich ein Mensch bin der abgeschlossene Dinge liebt und noch nicht alles überblickt habe-, nehme in diesem Moment nur so etwas wie einen senfgelben Strickpulli wahr aber gebe ihr ihren Willen und lasse sie fahren.
Es geht natürlich nicht alles gut, wie ich mit einem Gefühl der Zufriedenheit und der Scham feststelle. Natürlich sind nicht alle Schaltungen der Weichen korrekt, manche ergeben – nun wo ich durch die Fahrstrecke der Züge und die Wünsche der mir gegenüber sitzenden Person dazu gezwungen bin – bei genauerer Betrachtung gar keinen Sinn: Sie enden in Sackgassen; Teile des Streckennetz können nur in einer bestimmten Weise erreicht werden, der Weg dorthin ist jedoch widersprüchlich und funktioniert nicht; Schaltungen sind falsch angeschlossen und auch wenn es möglich sein sollte bewegt sich auf der Weiche einfach nichts; die Strecke kann nur von einer Richtung angefahren werden, in diese Richtung kommt man jedoch nur von dem betroffenen Streckenteil aus…

Nach einer Weile – Zeit spielt in diesem Begriff nur eine untergeordnete Rolle – bin ich wieder zurück im Sessel und betrachte sie. Denn der senfgelbe Pullover – welcher sich als ein senfgelbes Strickkleid über schwarzen Leggins mit blanken Füßen entpuppt – gehört zu einer quirligen, kleinen Frau, deren lockige Haare sehr zu den Gedankensplittern passen, welche ich noch von der gemeinsamen Bahnaktion im Kopf habe.

Es gibt einen Schnitt in der Szene und sie sitzt auf dem Podest, scheint irgendwas zu betrachten, an etwas herumzufummeln und noch während ich versuche die Kategorie ihrer Tätigkeit zu erahnen bewege ich mich auf sie zu. Ich erinnere mich an ein rundes Gesicht, nicht Vollmond allerdings eben auch nicht puppenhaft spitz. Ein Gesicht voller Lachfalten und ersonnen um das wohl schönste Paar Augen zu schmücken, denen ich je begegnet bin. Obskur, kann ich mich weder an Form noch an Farbe derselben erinnern. Nur wenig ist klar in solchen Momenten. Merkwürdige Details stechen wie Nadeln in die Ballons unserer Aufmerksamkeit, lassen vieles vom Geschehenen zerplatzen und so kann ich mich vor allem daran erinnern, dass ihr Pullover auch braune Flecken mit eingewebt hatte – französischer Senf? -, dass wir kaum redeten, uns aber immer näher kamen und sie sich an der lächerlich romantischen Fackelhalterung festhielt.

„Eigentlich können wir uns jetzt küssen.“ Ist der zentrale Satz der Erinnerung und als du es sagst kicherst du, dein Gesicht wird mindestens ein Jahrzehnt jünger und mein Herz fühlt sich wie sechzehn. Es ist völlig natürlich, dass wir uns dann küssen, auch wenn wir beide es nicht richtig glauben. Das ist so kindisch: verlieben und so sein. Das ist so kindisch: sich küssen und zusammenkommen während andere dabei sind. Da ist so. . . Es ist so unwichtig und dich zu küssen das einzig richtige, denke ich während ich dem kleinen, jugendlich scheuen Küsschen einen zweiten, intimeren Kuss folgen lasse und meine Hand in dein Haar versenke.

Ich spüre den kratzigen Pullover, während ich deinen Rücken streichele. Ich spüre den glatten Stoff der Leggins als ich deinen Hintern erreiche und stelle schockiert fest, dass ich ebenfalls die Kante des Podests streichele und wir beide beinahe schon ins Nichts gestürzt sind. Als ich dich daraufhin etwas näher ziehe und auch selbst zurückrutsche, lachst du auf, diesmal wieder älter und die Frau die ich erblicke schiebt, beschämt grinsend, ein Smartphone zwischen uns hervor auf dem so etwas wie Janosh’s Pokemon Go läuft.

Ich erinnere mich an die Farben des Spiels auf dem Handy, so ähnlich zu deinem eigentlich widerlichen Pulloverkleid. Ich erinnere mich an den Geruch der Wohnung, die Geräusche der Stadt, das Gefühl des Bodens, die Verwirrung und das Gefühl dieses Ortes. Ich sehr die Details der Modellbahn vor mir -nie das ganze Werk immer nur Einzelheiten – und erinnere mich an die genervten Diskussionen warum etwas nicht klappte. Das Geräusch des Geschirrgeklappers im Hintergrund klingt in meinen Ohren, ich kann all dass abrufen wenn es mir danach ist, wann auch immer das ist.

Ich denke an den Geschmack, an das Gefühl von deiner Haut auf meiner Haut an unseren Lippen. Ich denke an deinen Geruch, als wir uns eng umschlungen diesen ersten, unvermeidlichen Kuss geben und an das Glitzern in deinen wundervollen Augen, die Form deines Lächelns als du diesen einen, einzigartigen Satz sprichst.

Vermutlich erinnern wir uns aber nur an das was wir kennen.